Szene aus dem Film "Von Vätern und Müttern" © Soren Kirkegaard.com
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AUDIO: Filmtipp: "Von Vätern und Müttern" (5 Min)

"Von Vätern und Müttern": Wenn Eltern sich wie Kinder benehmen

Stand: 20.05.2024 06:00 Uhr

Man kann sich in der dänischen Komödie "Von Vätern und Müttern" ausgiebig fremdschämen für Erstklässler-Verhalten bei ausgewachsenen Menschen - und sich zugleich erstklassig amüsieren.

von Walli Müller

Wer in einem Theaterstück oder Kinofilm der Gesellschaft den Spiegel vorhalten möchte, findet in der Schule den idealen Schauplatz. Denn hier treffen neben Kindern aus verschiedenen sozialen Milieus auch deren Eltern und Lehrkräfte aufeinander mit ihren Erziehungsidealen und Ambitionen für den Nachwuchs. In "Frau Müller muss weg" wurde eine köstliche Komödie draus, im oscarnominierten "Lehrerzimmer" ein beklemmendes Drama. Jetzt darf wieder gelacht werden in der dänischen Kino-Komödie "Von Vätern und Müttern".

Subtile Ausgrenzung in Elite-Schule

Eltern wollen heute, mehr denn je, "das Beste" für ihre Kinder. Und dazu gehört natürlich auch die "beste" Schule. Der kleinen Hannah steht deshalb der vierte Schulwechsel bevor. Keine Lehranstalt konnte bisher - aus Sicht ihrer Eltern - den Bedürfnissen des stillen Mädchens gerecht werden. Die Freude bei Ulrik und Piv ist groß, als die Tochter aufgenommen wird in den erlauchten Zirkel Auserwählter, an diesem Hort der Achtsamkeit, der natürlich auch den Eltern vorbildliches Verhalten abverlangt. Der erste Elternabend wird zum Spießrutenlauf:

"Ich heiße Piv. Und das ist mein wunderbarer Mann Ulrik. Wir sind die Eltern von Hannah. Ich glaube, ein paar kennen sie bereits."
"Darf ich was fragen?"
"Ja."
"Äh, weswegen hat sie denn die Schule gewechselt? Ich meine, das ist Hannahs vierter Schulwechsel, da wollte ich nur wissen, ob wir vielleicht auf besondere Bedürfnisse achten müssen." Filmszene

Der wahre Schulgeist blitzt hier schon ein erstes Mal auf: Alle tun unheimlich modern und aufgeschlossen, grenzen in Wahrheit aber nur subtiler aus.

Das große Schaulaufen der Eltern

Regisseurin Paprika Steen hatte eine "lustige", aber auch "schmerzhaft ehrliche" Komödie im Sinn. Das merkwürdige Verhalten zeitgenössischer Erziehungsberechtigter seziert sie bei einer gemeinsamen Hüttenfahrt von Kindern und Eltern - der Höhepunkt im Schuljahr. Schon wie sie angefahren kommen - mit der Familienkutsche, im lässigen Sportwagen oder mit dem Linien-Bus - zeigt einen Querschnitt von Eltern-Typen: Der Handwerker wird gleich zum Rohr-Leck im Waschraum beordert, seine Frau zum Kuchen-Backen in die Küche, während der Cabrio-Fahrer lässig am 500-Euro-Cognac nippt und die Kinderpsychologin mit dem hip pinkgefärbten Bubikopf ihre Chancen beim neuen Papa auscheckt.

Die Kids gehen in diesem Film weitgehend unbeobachtet ihrer Wege. Die Eltern aber treten zum großen Schaulaufen an. Wer ist der kernigste Holzhacker, der lässigste Joint-Raucher oder der coolste Lagerfeuer-Gitarrist?

Für Momente ist die Stimmung fröhlich ausgelassenen, insgesamt aber zunehmend explosiv. Denn das ganze Gerede von "Gemeinschaft" entpuppt sich als reines Getue. In Wahrheit werden unterschwellige Konkurrenzkämpfe ausgetragen, will jeder nur sich und sein Kind bestmöglich in Position bringen und setzt den eigenen Life-Style absolut.

"Von Vätern und Müttern": Amüsante Komödie über Helikoptereltern

Paprika Steen setzt in "Von Vätern und Müttern" eine irre Beziehungsdynamik in Gang und entlarvt die Helikoptereltern mit ihrem Kontrollzwang ebenso wie den heuchlerischen Direktor, der den ach so liberalen Schulbetrieb im Stil eines totalitären Herrschers führt. Der Film lebt nicht von knackigem Wortwitz wie "Frau Müller muss weg", sondern von einer Vielzahl beiläufiger Gesten und Dialoge, die im Ergebnis ähnlich komisch sind.

Man kann sich in "Von Vätern und Müttern" ausgiebig fremdschämen für Erstklässler-Verhalten bei ausgewachsenen Menschen - und sich zugleich erstklassig amüsieren.

Von Vätern und Müttern

Genre:
Komödie
Produktionsjahr:
2022
Produktionsland:
Dänemark
Zusatzinfo:
Mit Nikolaj Lie Kaas, Amanda Collin, Martin Greis-Rosenthal u.a.
Regie:
Paprika Steen
Länge:
97 Minuten
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
23. Mai 2024

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 20.05.2024 | 07:50 Uhr

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